Der Krise zum Trotz

Der Krise zum Trotz

Das Projekt WomActivity unterstützt gründungsinteressierte Frauen aus Niedersachsen.

Gründen in der Krise? Die Pandemie hat viele Unternehmen und Solo-Selbständige in die Insolvenz getrieben. Die Auswirkungen sind auch bei den Neugründungen spürbar. Überraschend ist allerdings, dass der Anteil der Frauen, die sich trotz aller Umstände dennoch für die Selbständigkeit entschieden haben, nahezu stabil geblieben ist. Hier berichten drei Frauen aus der Region, die den Schritt in das Abenteuer Selbständigkeit in den letzten zwei Jahren gewagt haben.

Kira Schlegel: „Die Selbständigkeit gibt mir die Möglichkeit, Themen selbst vorantreiben zu können.“ (Foto: privat)

 

68.000 Existenzgründungen weniger als 2019 erfasste der KfW-Gründungsmonitor für das Jahr 2020. Ein Rückgang, der angesichts der Pandemie wohl niemanden überrascht. Deshalb verwundert ein Umstand umso mehr: Der Anteil der Frauen an den Neugründungen ist mit 36 Prozent ‑ und damit nur zwei Prozent unter dem Niveau von 2019 ‑ nahezu stabil geblieben. Den Grund vermutet Isa Piontek-Seitz, Projektleiterin der Gründungsberatung MOBIL der BFGoe, darin, „dass Frauen scheinbar die veränderte Ausgangslage schneller in ihren Geschäftsmodellen berücksichtigt und die Krise als Chance angesehen haben.“ Sie und das Berater*innen-Team unterstützen Frauen bei ihren Gründungsvorgaben auch während der Pandemie gezielt mit dem Projekt „WomActivity“. Zu den Teilnehmerinnen zählten auch Silke Hartmann, Kira Schlegel und Vincentina Dalies, deren Beispiele zeigen, dass das Gründen in einer Krise gelingen kann.

 

Vertrauen, sich alles erarbeiten zu können

 

„Etwas machen, wofür ich wirklich brenne und mit dem ich etwas in der Welt verändern kann“, dieser Gedanke trieb Silke Hartmann an, über eine Selbständigkeit nachzudenken. Zwei, vielleicht sogar drei Jahre habe sie gebraucht, um eine Unternehmensidee zu finden, die sie länger als drei Wochen fesseln und überzeugen konnte. Am Ende wurde aus ihrer privaten Leidenschaft für Ornithologie ein tragbares Geschäftsmodell. Nach der Ideenfindung und drei Monaten intensiver Vorbereitung, gründet die 40-Jährige im August 2021 die Online-Plattform „Vogelguckerin.de“. Über Online-Seminare will sie einen niedrigschwelligen Zugang zur Welt der Vögel bieten. Die Pandemie habe bei ihren Überlegungen eher eine untergeordnete Rolle gespielt, da das Hauptelement ihrer Selbständigkeit auf dem Internet beruht. Für zusätzliche finanzielle Sicherheit sorgt zudem ihre Nebentätigkeit in ihrem alten Job als Kommunikationsberaterin. Dabei betont Silke Hartmann, dass es in der Vorgründungsphase nicht nur darum geht, die wirtschaftlichen Seiten der Gründung zu bedenken, sondern auch innere Ressourcen zu aktivieren. „Man muss den Mut aufbringen, sich selbst zu vertrauen, darauf, dass man es schaffen kann. Mut, um sich nicht einschüchtern zu lassen von dem riesigen Berg, vor dem man anfangs steht. Für mich war die Erkenntnis wichtig, dass ich mir alles Stück für Stück erarbeiten kann.“ Ihr schönster Erfolg war bislang eine mehrteilige Dokumentation in Zusammenarbeit mit dem MDR. Nun arbeitet sie an einem Buch. „Ich kann jeden Tag etwas Neues machen, mich weiterentwickeln. Ich entscheide selbst und muss nicht mehr um Erlaubnis fragen“, so die Göttinger Unternehmerin.

Zuversicht und Netzwerke

 

Ähnlich wie Silke Hartmann, beschreibt auch Vincentina Dalies ihren Weg zu ihrem eigenen Unternehmen. „Es ist wichtig darauf zu vertrauen, dass sich alles findet und negative Gedanken, wie z.B. ob sich genügend Kunden finden, wegzuschieben. Geholfen hat mir der Gedanke, dass es andere auch geschafft haben“, hebt die 23-Jährige hervor. Die Grafikerin und Webdesignerin arbeitete vor ihrer Selbständigkeit im Marketing eines IT-Digitalisierungsdienstleisters. Im April 2021 fasst Vincentina Dalies den Entschluss, ihre Festanstellung an den Nagel zu hängen und sich als Web- und Grafikdesignerin und Künstlerin selbstständig zu machen. Auch sie beschreibt die Phase der Entscheidungsfindung als die längste. „Nachdem klar war, dass ich meiner Kreativität als Künstlerin mehr Raum geben und das mit finanzieller Sicherheit verbinden kann, wurde es mit der Anmeldung beim Finanzamt schnell konkret“, erinnert sich Dalies. Seminare und Beratungsangebote lieferten das notwendige Hintergrundwissen, um nach fünf Monaten gründen zu können. „Der Anfang war stressig, aber ich hatte Unterstützung aus vielen Netzwerken“, sagt Dalies. Auch sie ließ sich in ihrem Vorhaben von der Pandemie nicht abbringen. „Mir ist es wichtig Dinge zu tun, die ich gerne mache. Arbeit und Leben wollte ich miteinander verbinden“, schildert die Künstlerin.

 

Selbstvertrauen und Standhaftigkeit

 

Kira Schlegel war frühzeitig klar, dass eine Selbständigkeit eine gute Möglichkeit bietet, um in ihrem Fachgebiet arbeiten zu können.

Die 27-Jährige studierte Positive Psychologie, deren Schwerpunkt ist, was ein gelingendes Leben ausmacht und wie Menschen ihr Potenzial nutzen können. „Weil Positive Psychologie noch nicht so bekannt ist, entschied ich mich zunächst für eine Anstellung in der Personalentwicklung eines Unternehmens, um noch weitere Erfahrungen zu sammeln“, erläutert die aus dem Harz stammende Gründerin. Durch eine Nebentätigkeit und ihre Erfahrungen im Start Up Umfeld hatte sie schon Berührungspunkte mit dem Thema Selbständigkeit. Trotzdem nutzte sie in der Gründungsphase Beratungsangebote, besucht Seminare, in denen sie u.a. lernte, einen Finanzierungsplan zu erstellen. „Für mich waren in dieser Phase die guten Kontakte zu Kommilitonen, ehemaligen Kollegen und zum Netzwerk von MOBIL sehr hilfreich“, erinnert sich Schlegel. Im November 2020 ging sie dann als selbständige Beraterin an den Start, bietet seither Coaching, Workshops und Trainings zu Achtsamkeit und mentaler Gesundheit an. Die Pandemie war für sie beinahe ein Glücksfall. „Anfangs habe ich mich gefragt, ob Unternehmen oder Einzelpersonen in dieser Situation überhaupt Geld für mentale Gesundheitsangebote ausgeben würden. Dann zeigte sich aber, dass die Pandemie den Bedarf sogar verstärkt hat“, schildert Kira Schlegel. Als wichtigstes Instrument in der „persönlichen Grundausstattung“ eines/r Gründer*in sieht auch sie Durchhaltevermögen und den Mut, sich nicht verunsichern zu lassen, wenn es mal schwierig werde. Denn wer durchhält, werde am Ende mit der Selbstbestimmtheit belohnt. „Ich habe jetzt die Möglichkeit, Themen, die mich bewegen, zu adressieren und voranzutreiben. Ich kann entscheiden, wann und wo ich arbeiten will. Auf diese Weise kann ich persönlich wachsen, aber auch den größten Mehrwert für andere schaffen“, hebt Kira Schlegel hervor.

 

Das Projekt WomActivity, das alle drei Gründerinnen in ihrer Gründungsphase nutzten, läuft noch bis zum 30. Juni 2022. Es wird aus Mitteln des Landes Niedersachsen und der Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert. Gründungsinteressierte Frauen aus Niedersachsen können die Beratung und Seminare der Gründungsberatung MOBIL zur Vorbereitung ihrer Selbständigkeit kostenfrei nutzen. Weitere Informationen unter https://www.gruenderinnen-suedniedersachsen.de/

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